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Dienstag, 02 Juni 2020 15:24

Die "vergessene" Weltausstellung: Die EXPO 95

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Die "vergessene" Weltausstellung: Die EXPO 95 © EXPO VIENNA AG

Denkt man an die Weltausstellungen der Neunziger Jahre zurück fallen einem sofort die EXPO '92 in Sevilla, die EXPO '98 in Lissabon, aber auch die EXPO '93 in Daejeon ein.
Viele Leute werden aber sicherlich nicht mehr wissen, dass es im Jahr 1995 auch eine EXPO geben sollte. Der Gastgeber sollten die Länder Österreich und Ungarn sein und das Gelände sollte sich in Wien befinden. Wie kam es aber nun dazu, dass die EXPO 95 nicht stattfand?

Eine gemeinsame Idee in der Zeit des Kalten Krieges

Wie auch die EXPO 2000 in Hannover geht die Idee für die Weltausstellung in Wien zurück in die Achtziger Jahre. Gegen Ende der Teilung Europas keimte sowohl in Österreich, als auch in Ungarn die Idee für eine Weltausstellung. Budapest hatte beim B.I.E. bereits sein Interesse an einer EXPO bekundet, als der Vizebürgermeister von Wien, Hans Mayr, auf die Idee kam, "vielleicht so um 1992 herum eine Weltausstellung aufzuziehen."

Diese Idee zog nun immer größere Kreise, sodass der Wiener Kultur-Stadtrat Jörg Mauthe die Idee aufgriff und um die Kooperation mit Budapest erweiterte. Er hatte damit die visionäre Königsidee geboren, die Weltausstellung gemeinsam mit Budapest als "Tandemfahrt in eine freiere Zukunft" zu sehen.

 

Ein Projekt nimmt Fahrt auf

In Wien konstituierte sich am 22. Oktober 1986 die Gesellschaft, die mit den Vorarbeiten für das Projekt beginnen sollte: Der "Verein zur Förderung der Bewerbung um eine internationale Fachausstellung in Wien".

Die Grundlage der Projektvorbereitung war die erklärte Absicht von Österreich und Ungarn, 1995 eine gemeinsame Weltausstellung durchzuführen. Eine entsprechende Regierungserklärung wurde am 29. September 1987 von Bundeskanzler Franz Vranitzky und vom damaligen Vorsitzenden des ungarischen Ministerrates, Karoly Grosz, unterzeichnet.

Das durch Perestroika und Glasnost verbesserte Ost-West-Klima, sowie das Ende der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhanges hatten in den Folgejahren berechtigte Hoffnungen entstehen lassen, dass die Politik der Öffnung auf Dauer Bestand haben würde. Eine Weltausstellung bot in diesem Umfeld die Gelegenheit, sich als Bindeglied zwischen Ost- und Westeuropa zu präsentieren und den Dialog zwischen Völkern weiter voranzutreiben. In der gemeinsamen Weltausstellung sahen einige Politiker sogar einen Wendepunkt in der Geschichte der beiden Länder. Der ehemalige österreichische Bundesminister für Wissenschaft und Forschung, Dr. Erhard Busek, nannte die Weltausstellung sogar "den Versuch grenzüberschreitender Kooperation", welcher eine "dynamische Stadtentwicklungspolitk im Geiste gegenseitiger Unterstützung" einleiten könne.

Im Mai 1988 erfolgte dann das offizielle Ansuchen Ungarns und Österreichs um eine Terminvormerkung für die EXPO 95. Hiermit begann auch die sechsmonatige Frist zur Einreichung von Konkurrenzbewerbungen. Insgesamt vier Städte machten davon Gebrauch: Toronto, Venedig, Miami — und auch Hannover.

Da man sowohl in Toronto, als auch in Venedig und Hannover auf die letzte Hälfte der Neunziger Jahre als Veranstaltungszeitraum abzielte, blieb für die Weltausstellung 1995 nur noch ein einziger Konkurrent übrig. Ende Mai 1989 zog dann aber auch Miami seine Bewerbung zurück, sodass der Weg für die EXPO 95 frei war. Im selben Jahr erfolgte dann die Vergabe der EXPO 95 an die Städte Wien und Budapest.

Durch die Besonderheiten des Twin-City-Konzeptes und die neuen demokratischen Entscheidungsprozesse in Ungarn hatte das B.I.E. großes Verständnis dafür, dem Wunsch Ungarns und Österreichs nach einer "bedingten" Registrierung der EXPO 95 zu entsprechen. Das bedeutet, dass die Generalversammlung die Registrierung beschlossen hatte, ihre endgültige Wirksamkeit aber von der Klärung noch offener Fragen, wie die Ausgestaltung der Veranstaltungsorte in Wien und Budapest oder einige Detailfragen im Finanzierungsbereich, abhängig waren.

 

"Brücken in die Zukunft" - Ein Thema als Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft

Das Motto der EXPO 95 sollte laut den Machern der Weltausstellung mehrere Kriterien erfüllen. So sollte es eine gute Eignung für beide Städte besitzen und dabei eine weltweite Attraktivität ausstrahlen, damit sich alle Teilnehmer differenziert und individuell darstellen können. Nach intensiven Diskussionen und zahlreichen Studien hatte man sich schließlich für das Thema "Brücken in die Zukunft" entschieden, das laut den EXPO-Planern tief in den Traditionen Österreichs und Ungarns verwurzelt ist. Darüber hinaus knüpfte das Thema an das Motto der Expo '92 ("Das Zeitalter der Entdeckungen") an und sollte so Lust auf Entdeckungsreisen in das dritte Jahrtausend machen.

 

Das Gelände der EXPO 95

Der Ausgangspunkt dieser Reise wäre dann das Gelände der EXPO 95 gewesen. Mit einer Fläche von 50 Hektar hätte es aber eher zu den flächenmäßig kleineren Weltausstellungen gehört. Zum Vergleich: Die EXPO '92 in Sevilla hatte eine Fläche von 215 Hektar und die EXPO 2010 hatte gar eine Fläche von 523 Hektar. Insgesamt rechneten die EXPO-Planer aber mit rund 20 Millionen Besuchern während der 180 Ausstellungstage.

Für die Gestaltung des Geländes wurde 1990 ein Architekturwettbewerb ins Leben gerufen. Zur Teilnahme waren Architekten aus Österreich und Ungarn berechtigt, sowie Auslandsösterreicher und Auslandsungarn. Darüber hinaus wurden 22 international renommierte Architekten eingeladen, ihre Ideen einzureichen. Ende Juni 1990 startete die EXPO-VIENNA AG einen gesonderten Wettbewerb für die österreichischen und ungarischen Absolventen der Studienrichtung Architektur, um auch der jüngeren Architektengeneration eine Chance zu bieten.Ein Ausschnitt des Geländes der EXPO 95

Insgesamt wurden 84 Projekte eingereicht. Das Projekt von Sepp Frank und Rudolf Zabrana erhielt dabei den 1. Preis. Sepp Frank, ein Schüler von Prof. Karl Schwanzer, führte seit Jahren ein anerkanntes Architekturbüro, das sich durch viele herausragende Leistungen, vor allem im Industrie- und Bürobau, vielfach ausgezeichnet hat.

Der Entwurf schloss sich dabei organisch an die bestehenden Gegebenheiten an. Hauptbestandteil des Weltausstellungsgeländes war die sogenannte "EXPO-Brücke". Sie teilte das Gelände in einen nördlichen und einen südlichen Teil.

Im nördlichen Teil des Geländes sollten die Gebäude stehen, welche auch in den Nachnutzungskonzepten vorkamen. Die Architekten bezogen auf diese Weise die bestehende UNO-City und das Konferenzzentrum mit in den Masterplan ein. Im südlichen Teil hingegen befand sich ein großes wellenförmiges Dach, welches nur durch einen Platz in der Mitte unterbrochen worden wäre.

Das Dach kann man vielleicht auch als eine Hommage an die Donauwellen sehen; für die Architekten aber war es ein "Superzeichen, welches die Vielfalt der Pavillons optisch zusammenhält". Gerhard Feltl, damals im Vorstand der EXPO VIENNA AG, nannte das Dach sogar eine "technologische Herausforderung". Über das gesamte Gelände erstreckte sich auch eine Monorail-Bahn.

Dass es aber auch Kritik an den Planungen gab, zeigte sich insbesondere bei den vielen Detailfragen. Die Monorail-Bahn war zwar eine gute Idee, aber laut den EXPO-Planern wurde keine eindeutige Verbindung zum Gelände geschaffen. Auch der Abriss des gigantischen Dachs im Süden des Gelände ist nicht nur aus heutiger Sicht in Frage zu stellen. Zwar gab es genauere Planungen für die Nachnutzung in Form von Hochhäusern, jedoch bleibt fraglich, ob es zu einer dieser Alternativen gekommen wäre. Durch die Lage in der Nähe der UNO-City wäre früher oder später auch die Frage der Extraterritorialität der UNO-City aufgetaucht.

 

Das Ende der Hoffnung

Für die EXPO-Planer schien alles perfekt. Die Weltausstellung würde Wien modernisieren und, was viel wichtiger war, die Menschen beider Teile Europas zusammenbringen. Dennoch entschied man sich aus politischen Gründen dafür vier Jahre nach Beginn Vorbereitungsarbeiten zur Durchführung einer Volksbefragung. Das war zur damaligen Zeit erstmalig in der langen Geschichte der Weltausstellungen.

Die vom Wiener Gemeinderat am 25. März 1991 für die Zeit vom 14. bis 16. Mai 1991 angesetzte Volksbefragung brachte dann ein negatives Votum für die Durchführung der Weltausstellung am Standort Wien:

 

"Die überwiegende Mehrheit der Wiener hat sich gegen eine Weltausstellung in Wien im Jahr 1995 ausgesprochen. Nach dem am Freitag veröffentlichten vorläufigen Endergebnis der dreitägigen Volksbefragung sprachen sich 315.100 Wiener (64,85 Prozent) der knapp 1,13 Millionen Stimmberechtigten gegen und nur 170.807 Personen  (35,15 Prozent) für die "EXPO 95" aus. Obwohl die Volksbefragung keinen rechtlich verbindlichen Charakter hatte, bedeutet das Endergebnis ein Aus für die Weltausstellung in Wien. […]"

- offizielle Pressemeldung der dpa im Mai 1991

Bereits kurz vor Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses hatte die ungarische Regierung sich noch einmal für die Ausrichtung der Weltausstellung in Wien und Budapest ausgesprochen, jedoch hatte Budapester Regierung in der Vorwoche sich mit großer Mehrheit gegen das Vorhaben gestellt.

Somit war der Traum einer gemeinsamen Weltausstellung ausgeträumt.

Gelesen 5699 mal Letzte Änderung am Dienstag, 11 August 2020 13:31
Maurice Semella

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